Loslassen – Sterben, Tod und Trauer

Es gibt nur eine Sicherheit im Leben: Wir werden sterben. Alles andere ist optional. Die meisten Menschen verdrängen den Gedanken an den Tod, so lange es geht. Für mich ist das so, als ob ich mich auf einen Test oder eine Klausur nicht vorbereite und dann nicht weiß, was ich schreiben soll. Wenn wir sterben, dann müssen wir loslassen. Wir können nichts mitnehmen, außer vielleicht gute Energie. Alle Dinge, jeglichen Besitz, Menschen, die wir lieben: Alles bleibt da und wir selbst gehen.

Es ist unglaublich hart, völlig unvorbereitet alles loslassen zu müssen. Das macht den Prozess des Sterbens vielleicht so mühsam. Wir haben nie gelernt loszulassen, wir haben es so gut wie nie bewusst geübt. Es gibt viele spirituelle Praktiken, die zum Ziel haben, sich von allen Anhaftungen zu lösen. Buddhistische Mönche legen zum Beispiel monatelang aus gefärbten Sandkörnern wunderschöne Mandalas, nur um sie dann mit einem Handstreich wieder zu verwischen. Es gibt Meditationen, die sich nur darum drehen, alles aufzulösen, wegzugeben, herzuschenken. Natürlich geht es nicht darum, dass wir nun alles, was wir besitzen, weggeben sollen. Wir dürfen unseren Besitz sogar lieben. Wir sollten uns nur dessen bewusst sein, wie sehr wir an Dingen, Menschen und Orten hängen und wie stark unser Bedürfnis ist, festzuhalten und zu kontrollieren. Wenn wir unsere Prioritäten verlagern und den Blick immer wieder eher auf Werte als auf Dinge legen, könnte das eine kluge und gute Investition in unseren Sterbeprozess sein.

Das eigene Leben vom Ende her zu denken ist eine gute Übung, um sich auf das zu fokussieren, was für uns wirklich von Bedeutung ist. Die meisten Menschen bereuen auf dem Sterbebett, nicht genug Zeit mit ihrer Familie und ihren Freunden verbracht zu haben, und sie bereuen auch, sich nicht erlaubt zu haben, glücklich zu sein. Da wir nicht wissen, wann und wie wir sterben werden, sollten wir uns auch nicht damit herausreden, dass wir ja noch viel Zeit haben. Das ist leider oft ein großer Irrtum. Sich immer wieder damit zu konfrontieren, dass es morgen vorbei sein könnte, ist anstrengend. Es zwingt uns nämlich dazu, wirklich achtsam zu sein und unsere sozialen Verbindungen und Lebensumstände zu überprüfen.

Und auch die Art, wie wir mit den Menschen umgehen, die uns wichtig sind, steht dadurch immer wieder auf dem Prüfstand. Gerade wenn wir in einer langjährigen Partnerschaft sind, fühlt sich das Zusammensein mit unserem Partner oft wie eine Selbstverständlichkeit an. Wir fangen an, nachlässig zu werden, lassen unsere Launen an ihm oder ihr aus, machen ihn verantwortlich für unsere Probleme und so weiter. Was wäre aber, wenn wir unseren Partner ganz plötzlich verlieren würden? Was würde uns dann fehlen? Wie sehr wären wir plötzlich auf uns allein gestellt? Was wäre das Letzte gewesen, was wir miteinander geteilt hätten? Solche Fragen können uns ins Bewusstsein bringen, was wir in unseren Beziehungen vielleicht vernachlässigt haben. Und deswegen ist es wichtig, in Harmonie miteinander zu leben, und falls das nicht möglich ist, sich so zu trennen, dass wir uns und dem anderen möglichst wenig Leid zufügen.

Wenn wir uns dafür entscheiden, authentisch zu leben, heißt das, dass wir uns selbst treu sind. Wir opfern uns nicht auf, sondern haben Zugang zu unseren Bedürfnissen. Das bedeutet nicht, dass wir egoistisch leben, sondern dass wir die Verantwortung für unser Leben übernehmen, sodass am Ende niemand außer wir selbst daran schuld sind, wenn wir etwas nicht gelebt haben. Die richtige Balance zu finden, das ist die Kunst dabei. Wie schaffen wir es, gemeinsam mit unserer Familie und unseren Freunden so zu leben, dass alle auf ihre Kosten kommen? Es ist nicht unsere Aufgabe, nur unsere eigenen Interessen durchzusetzen, es ist aber genauso wenig unsere Aufgabe, den anderen alles recht zu machen.

Die Wahrheit liegt in der Mitte: Ein erfülltes Leben ist ein Leben, in dem wir zusammen mit anderen unsere Bestimmung gefunden haben. Wenn wir das im Moment unseres Todes spüren, müssen wir auch nichts bereuen.

Die einzige Konstante im Leben, dass alles sich immer verändert. Es gibt nichts, was so bleibt, wie es ist. Die Zeit transformiert alles, manches langsamer, manches schneller. In den Momenten, in denen wir die Zeit gerne anhalten möchten, spüren wir unsere Machtlosigkeit. Wir können versuchen festzuhalten, aber irgendwann werden wir mit der Realität konfrontiert: Nichts bleibt, wie es ist. Die gute Nachricht daran ist, dass etwas, das uns nicht gefällt, vorbeigeht. Leider geht auch das vorbei, was wir lieben. Loslassen zu lernen und so in den Kreislauf von Entstehen und Vergehen einzutauchen hilft uns dabei, unsere eigene Endlichkeit nicht mehr als Bedrohung zu empfinden, sondern als einen Teil unserer Natur.


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Deine Elena Lustig

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