Welche Rolle Herz und Verstand in unserem Leben spielen
Als ProAge-Expertin verfolge ich einen ganzheitlichen Ansatz für unsere Gesundheit. Körper und Geist sind nicht voneinander getrennt und bedürfen beide unsere Aufmerksamkeit für eine gesunde Lebensführung.
Das englische Wort „Mind“ halte ich für diesen den Geist betreffenden Teil von Pro Age Yoga besser geeignet. Da ich aus der buddhistischen und yogischen Sichtweise heraus arbeite, hat das Wort „Geist“ für mich keinen religiösen Kontext. Ich verbinde es eher mit Begriffen wie Verstand, Denkvermögen und Intellekt. Mind bedeutet dagegen Herz und Verstand zusammen und umfasst so unsere Gedanken und Gefühle.
Laut dem Cambridge Dictionary bezeichnen wir mit „Mind“ den Teil einer Person, der es möglich macht, zu denken, Emotionen zu fühlen und Dinge zu verstehen. Im Folgenden benutze ich also das Wort „Geist“ im Sinne von Mind.
Wo dieser Geist sitzt, woraus er zusammengesetzt ist, was ihn ausmacht, ist nicht so einfach zu beschreiben. Es gibt relativ wenig Forschung darüber, was der Geist selbst eigentlich ist. Allerdings finden sich in der Literatur viele philosophische Interpretationen darüber. Sicher ist, dass der Geist nichts Konkretes, Messbares oder Sichtbares ist. Er ist ein Teil unseres Selbst, ein Teil dessen, was wir „Ich“ nennen, wenn wir nicht unseren Körper meinen. Wir fühlen und wir denken, aber beides sind vorübergehende Phänomene. Der Geist selbst existiert unabhängig von unseren Gedanken und Gefühlen. Er ist das, was beständig ist, klar, rein und vollkommen.
Mit unserem Geist zu arbeiten heißt, das in uns freizulegen und zu erkennen, was unabhängig von äußeren Bedingungen in uns existiert, unsere wahre Essenz.
Annehmen, was ist
Die meisten von uns wollen ganz alt werden, sich aber dabei möglichst jung fühlen und auch so aussehen. Das ist der Soll-Zustand bzw. unser Wunsch-Zustand. Der Ist-Zustand weicht davon leider oft ab. Selten laufen die Dinge so, wie wir sie gerne hätten. Wenn wir älter werden, verändert sich zwar unser Körper, aber nur selten verändert sich auch unser Wertesystem und damit das Bild, was wir von uns selbst haben, von allein. Unser Selbstbild passt sich nicht automatisch unseren körperlichen Veränderungen an. Im Gegenteil: Wir stellen vielleicht fest, dass die Lücke zwischen Soll-Zustand und Ist-Zustand immer größer wird. Was können wir also tun? Wie können wir das, was sein soll, und das, was ist, zusammenbringen? Da wir die Zeit nicht anhalten können, bleibt uns nur der Weg, unsere Haltung dazu und zu uns selbst zu verändern. Wenn wir das annehmen, was ist, ist Frieden. Klingt gut, ist aber verdammt schwer. Und wenn wir ehrlich sind: Gab es diesen Zustand in unserem Leben jemals dauerhaft? Vielleicht bekommen wir immer mal wieder einen Moment geschenkt, in dem wir spüren, wie es sich anfühlt, wunschlos glücklich zu sein.
Diesen Moment zu halten, in ihm zu ruhen, mit dem zufrieden zu sein, was ist, kann einfach sein, wenn wir loslassen. Und genau hier beginnt die Arbeit: Es bedeutet nämlich, dass wir uns erst einmal drüber klarwerden müssen, was wir alles erwarten, wie wir Dinge bewerten, was wir wollen und was wir nicht wollen. Wir müssen also aufmerksam in uns hineinschauen: Was passiert gerade mit mir? Was fühle ich, was denke ich und wie bewerte ich das? Die entscheidende Frage ist aber: Muss ich das, was ich fühle und denke, wirklich bewerten?
Im Buddhismus gibt es die vier edlen Wahrheiten. Die erste heißt: Leben bedeutet Leiden. Das reicht oft schon aus, dass viele Menschen an dieser Stelle nicht weiterlesen, nicht weiter zuhören und sich innerlich verschließen. Wer will schon etwas mit „Leid“ zu tun haben? Allerdings geht es in den buddhistischen Lehren direkt weiter zu den drei nächsten Wahrheiten: Wie Leiden entsteht, wie es beendet werden kann und wie der Weg dahin aussieht.
Erst einmal müssen wir anerkennen, dass es in unserem Leben immer wieder Leid gibt, genauso wie auch alle positiven und schönen Gefühle. Aber unter denen leiden wir ja nicht. Wir leiden darunter, zu leiden. Wir wollen nicht traurig sein, wollen nicht wütend sein, nicht alleingelassen werden und uns auch nicht hilflos oder enttäuscht fühlen. Meistens entstehen diese Gefühle dadurch, dass etwas anders ist, als wir es haben wollen oder erwarten. Wir suchen ständig nach Glück und meinen sogar, einen Anspruch darauf zu haben. So rufen wir über unsere innere Haltung unser Leid sozusagen selbst hervor. Natürlich gibt es Dinge, unter denen wir zwangsläufig leiden: Wenn zum Beispiel jemand stirbt oder verunglückt oder wir Liebeskummer haben. Es geht nicht darum, dieses Leid zu ignorieren oder abzuwerten.
Es geht nur darum, den Zusammenhang zwischen dem, was wir wollen, und dem, was ist, hervorzuheben und zu erkennen, dass aus der Differenz Leid entstehen kann.
Wenn wir also der Meinung sind, dass unser Körper immer schön, jung, kraftvoll und gesund sein sollte, ist Alter gleichbedeutend mit Leiden. Das Gleiche gilt für Krankheit, Schwäche und jegliche Art der Abweichung von dem, was wir für normal halten. Wir sind also permanent damit beschäftigt, unsere Erwartungen erfüllen zu wollen und mit der Enttäuschung klarzukommen, die die Realität für uns bereithält. Buddhistisch formuliert schwanken wir ständig zwischen Anhaftung und Abneigung: Den Ist-Zustand können wir fast nicht wahrnehmen, ohne dass wir ihn nicht auch beurteilen oder bewerten, und wir sind uns dessen meistens nicht einmal bewusst.
Wir sind permanent damit beschäftigt, zu interpretieren und uns dazwischen zu entscheiden, ob wir das, was ist, haben wollen oder nicht haben wollen. Das, was wir als gut und schön bewerten, wollen wir möglichst nicht verlieren. Wenn wir etwas als nicht so gut bewerten, betreiben wir einigen Aufwand, um es zu verändern bzw. loszuwerden.
So sind unser Geist und auch unsere Handlungen pausenlos darauf ausgerichtet, zwischen diesen Gegensätzen hin und her zu springen: bewerten und haben wollen oder bewerten und loswerden wollen. Wir binden damit eine Menge Energie, die letztendlich darauf abzielt, einen Zustand zu erschaffen, in dem wir endlich glücklich sind. Das Problem daran ist nur, dass wir dieses Glück von äußeren Umstände abhängig machen, die weder von Dauer noch unter unserer Kontrolle sind. Alles verändert sich, alles ist vergänglich und in den wenigsten Fällen läuft alles genau so, wie wir es uns wünschen.
Anzunehmen, was ist, bedeutet aber nicht, antriebslos zu werden. Es bedeutet vielmehr, wertfrei zu erfassen, was ist, um dann aus einer inneren Gelassenheit heraus zu entscheiden, ob Handlungsbedarf besteht. Das gelingt uns so gut wie nie.
Wenn wir uns zum Beispiel durch eine Botox-Behandlung so weit geglättet haben, dass wir uns schöner finden, sind wir dann glücklich? Vielleicht haben wir für einen kurzen Moment einen Zustand der Zufriedenheit geschaffen. Dann beginnt der Körper das Botox auch schon wieder abzubauen. Unser Hals wird leider weiterhin faltiger und auf unseren Händen mehren sich die Altersflecken. Wir können uns also nicht auf das Glück verlassen, das wir über unsere äußeren Umstände geschaffen haben. Es ist flüchtig und vergänglich.
Worauf ich hinaus möchte, ist, dass die Quelle der Zufriedenheit in uns selbst liegt. Ständig etwas verändern zu wollen führt nicht zum Glück. Es gibt so viele extrem reiche und/oder erfolgreiche Menschen, die nicht glücklich sind. Das Gleiche gilt umgekehrt für Krankheit oder Armut, die manche Menschen nicht unbedingt unglücklich sein lassen. Natürlich gilt im Allgemeinen: lieber reich und gesund als arm und krank.
Wenn das aber der Schlüssel zum Glück wäre, dann wären alle reichen und gesunden Menschen glücklich und alle armen und kranken Menschen unglücklich. Dem ist aber bekanntermaßen nicht so.
Ein weiterer Schlüssel zu einem zufriedenen Geisteszustand ist Geduld: eine völlig unterschätzte Tugend in einer Zeit, in der alles am besten sofort passieren sollte.
Wann nehmen wir uns Zeit, damit sich etwas entwickeln kann, oder auch für unsere eigene Entwicklung? Wie gehen wir mit Rückschlägen um? Was bedeutet es für uns, zu scheitern?
Das Scheitern lehrt uns oft am meisten, Rückschläge helfen uns, kreativ an einer neuen Lösung zu arbeiten. Wenn wir uns Zeit geben, sind wir weniger streng zu uns selbst und dadurch weniger gestresst. Wir lernen, den Fokus zu halten und nicht alle Bälle gleichzeitig in die Luft zu werfen. All diese Aspekte der Geduld bilden ein starkes und belastbares Fundament für eine nachhaltige Entwicklung. Ein wirksames Werkzeug, um Geduld zu kultivieren, ist die Meditation. Dazu später mehr.
Wenn wir bereit sind, das, was ist, anzuerkennen, und behutsam danach streben, uns so zu entwickeln, dass wir gelassen bleiben, auch wenn die Dinge nicht so laufen, wie wir es gerne hätten, dann haben wir einen guten Weg vor uns.
Beobachte deine Tendenz, alles, was du siehst, denkst und fühlst, zu bewerten und zu beurteilen. Versuche einmal täglich, bewusst NICHT zu bewerten, also nicht abzulehnen oder anzuhaften. Gib dir Zeit und reagiere nicht sofort auf alles.
Älter, weiser, klüger
Das Oberhaupt des Stammes oder des Dorfes, der Häuptling, die weise Frau, die Priesterin – diese Rollen in der Gesellschaft waren früher in der Regel von älteren Menschen besetzt. Es braucht eine gewisse Lebenserfahrung, um ein Vorbild zu sein und eine wegweisende Rolle einzunehmen. Viel Lebenserfahrung zu haben bedeutet, reich zu sein: reich an Jahren und reich an Erkenntnissen. Alt zu sein ist in dem Zusammenhang erstrebenswert. Mentoren sind selten jung. Auch heute hat das Ältersein viele Vorzüge: Wir machen nicht mehr alles mit, können vor einer Handlung eventuell schon absehen, wohin sie führt, sehen dadurch klarer, erkennen Risiken, handeln umsichtiger und möglicherweise auch gelassener. Je älter wir werden, desto freier können wir in der Regel unsere Zeit einteilen. Unsere Verpflichtungen nehmen ab oder wir haben gelernt, die richtigen Prioritäten zu setzen, sodass wir idealerweise auch mehr Zeit haben.
Unser Konsumverhalten wird kritischer: Wir kaufen anders ein, nachhaltiger, gezielter, und wir haben meistens mehr Geld zur Verfügung als während der Anfangszeit unseres Berufslebens. Wir sind also einerseits eine interessante Zielgruppe, andererseits kosten wir die Gesellschaft spätestens als Rentner mehr Geld, als wir einbringen. Die Menschen werden immer älter und dadurch zur Belastung des Sozialsystems, weil es immer weniger junge Menschen gibt, die das schultern. Das ist nicht unbedingt der fruchtbarste Boden für eine positive Veränderung der Sichtweise auf das Älterwerden.
Das Bild, das meist in Zeitungen und in den Nachrichten benutzt wird, wenn es um ältere Menschen geht, sind Grauhaarige in Rentnerbeige, die auf einer Bank sitzen. Ab wann setzen wir uns mental mit dazu? Ab wann denken wir: Jetzt bin ich alt?
Womit identifizieren wir uns, wenn es darum geht, ein Vorbild für das eigene Älterwerden zu finden? Wir sollten unser eigenes Vorbild sein und dabei lernen, uns selbst zu definieren! Nur wenn wir zu dem stehen, wer wir sind, können wir andere inspirieren.
Uns selbst in die Rolle des oder der Weisen zu setzen, unser Wissen zu teilen, zu lehren – das sind die Aufgaben, die uns zufallen oder sogar zustehen. Dabei ist es wichtig, sich nicht über andere zu stellen und zum Beispiel auf jüngere Menschen herabzuschauen. Klugheit durch Alter bedeutet, einen weiteren Erfahrungshorizont über die Möglichkeiten zu haben, wie wir handeln und denken können, und diese Möglichkeiten auch zu nutzen.
- Ab wann werden wir älter?
- Wenn wir volljährig sind oder wenn wir die ersten Falten bekommen?
- Wenn wir das erste Mal übers Älterwerden nachdenken?
- Wenn das erste graue Haar auftaucht oder wenn die Augen schlechter werden?
- Wenn wir aufgrund unsrer Lebenserfahrung intuitiv die richtigen Entscheidungen treffen?
- Wenn jüngere Menschen uns um Rat fragen?
- Wenn wir gelassen bleiben, wo wir früher ausgeflippt wären?
- Wenn Ärzte und Politiker jünger sind als wir selbst?
Selbstannahme und Selbstliebe
Sich klein zu fühlen bedeutet nicht, schlecht zu sein. Angst zu haben, neidisch oder enttäuscht zu sein heißt nicht, weniger wert zu sein. Alle Gefühle und Gedanken, die es gibt, gibt es. Aber wenn wir uns dafür abstrafen und uns ablehnen, dann schwächen wir uns selbst. Unsere „Schattenseiten“ sind da, weil wir auch Licht ausstrahlen.
Beide sind wie zwei Seiten einer Medaille: Ohne das Vorne gibt es kein Hinten. Es ist nur manchmal schwer zu erkennen, welche Funktion unsere Schattenseiten haben.
Nehmen wir zum Beispiel das Gefühl von Neid: Unser Selbstoptimierungsprogramm lässt uns in die Vergleichsfalle tappen und wir entwickeln Neid, weil es immer jemanden geben wird, der das ist oder hat, was wir gerade nicht sind oder haben.
Wir versuchen dann oft, den Neid für uns erträglicher zu machen, indem wir das, was wir eigentlich erstrebenswert finden, abwerten. Oder wir werten die Person ab, die das hat oder so lebt, wie wir es eigentlich auch gerne wollen. So bleiben wir leider in diesem schwierigen Gefühl stecken und kultivieren Mangel.
Um aber das Geschenk dieser Schattenseite zu entdecken, können wir unsere Strategie ändern und uns fragen:
- Ist das, was wir unbedingt haben möchten, wirklich so erstrebenswert? Oder können wir auch ohne dies gut leben? Dann wenden wir das Prinzip Loslassen an.
- Welchen Weg hat dieser Mensch zurückgelegt, um so zu werden, und welche Qualitäten hat er/sie genutzt, die uns auch zur Verfügung stehen würden. Dann nutzen wir das Prinzip Inspiration.
Auf diesem Weg bekommt der Neid plötzlich eine Funktion. Wir können mit ihm arbeiten, er bringt uns weiter, darf da sein und wir müssen ihn nicht ablehnen. Neid kann also eine gute Grundlage zur Selbstmotivation sein.
Der Schlüssel zur Selbstliebe ist, uns mit allen unseren Seiten anzunehmen und auch in den dunklen Seiten das Potenzial zu erkennen. Wir müssen nicht perfekt sein, um liebenswert zu sein. Menschen werden gerade dadurch nahbar, dass sie nicht perfekt sind. Oft lieben wir an anderen ihre besonderen Eigenheiten, warum also nicht auch an uns selbst? Unsere Angst, unser Neid, Wut, Trauer, Selbstzweifel dürfen da sein.
Diese Gefühle helfen uns dabei, realistisch zu bleiben, die Bodenhaftung nicht zu verlieren.
Ohne Angst und Selbstkritik wären wir nicht in der Lage zu überleben, weil wir mit ihrer Hilfe unseren sozialen Kontext überprüfen. Diese Aspekte unseres Selbst zu umarmen und sie aus ihrem Schattendasein herauszuholen, ihnen Raum zu geben und sie liebevoll zu integrieren, das ist der Weg zu Selbstannahme und Selbstliebe.
Erkenne deine dunklen Seiten an. Sie sind ein Teil von dir, genauso wie deine strahlenden Seiten.
Erlaube dir, Sehnsüchte zu haben, sie sind ein guter Wegweiser.
Wenn du Hilfe dabei möchtest, melde dich gerne bei mir. Meine Bücher, mein Online-Kurs und auch mein ProAge ReNew Programm bieten dir eine wertvolle Unterstützung auf deinem ganz persönlichen Weg des Älterwerdens!
Deine Elena Lustig